Gedenkstein Kuntau

20. April 2021

Nach einem SPD Antrag auf Errichtung eines Gedenksteins in der Kuntau, konnte nun endlich der Gedenkstein eingeweiht werden:

Gedenkstein Kuntau
Einweihung 20.04.2021

„70 Opfer eines mörderischen Regimes mahnen die Lebenden“

Genau 76 Jahre ist es her, dass an dieser Stelle ein Zug der Reichsbahn aus dem KZ Flossenbürg und in einiger Entfernung ein Flakzug der Wehrmacht zum Stehen gekommen sind, nachdem der Zug aus Flossenbürg schon seit dem 16. April 1945 als sog. Evakuierungszug E unterwegs war und nach einem längeren Halt in Etzenricht das am 17. April zerbombte Schwandorf passiert hatte. „Evakuierungszig“ deshalb, weil sich die Alliierten Flossenbürg näherten und die SS das KZ noch „evakuieren“ wollte.
Die beiden Züge konnten ihre Fahrt Richtung Regensburg nicht fortsetzen, weil die Eisenbahnbrücke über die Donau bei Regensburg zerstört war. Ein anderer sog. Evakuierungszug blieb am Bahnhof in Schwarzenfeld stecken.

Gleichzeitig trieben SS-Mannschaften Tausende von Gefangenen aus Flossenbürg zu Fuß Richtung Süden.

In dem sog. Evakuierungszug, genauer in Viehwaggons, befanden sich ca. 1000 Männer, Franzosen, Belgier, Slowaken, Kroaten und Polen, ausgemergelte Gefangene aus dem KZ Flossenbürg, bewacht von SS-Mannschaften, auf dem Weg zum KZ Dachau. Genau heute vor 76 Jahren wurden die beiden Züge das Ziel alliierter Tiefflieger. Im Verlauf des Tieffliegerangriffs gelang einigen Gefangenen die Flucht, 29 Männer sind unmittelbar durch den Tieffliegerangriff oder durch Schüsse der SS-Wachen ums Leben gekommen. Amerikanische Soldaten haben in den folgenden Tagen noch die Leichen von 41 Männern im angrenzenden Wald gefunden.
Am gleichen Tag sind Tausende von Gefangenen aus Flossenbürg zu Fuß durch Neunburg v.W. getrieben worden. Über 3000 Gefangene konnten kurz darauf bei Wetterfeld von der US-Army befreit worden. Die US-Army veranlasste auch die Exhumierung der Leichen und die Anlegung von drei Sammelgräbern in unmittelbarer Nähe. 1957 wurden die meisten der hier Ermordeten in den KZ-Ehrenfriedhof nach Flossenbürg überführt. Die Grabstätten hier am Bahndamm wurden aufgelassen und sind weitgehend in Vergessenheit geraten, bis ein Schwandorfer Lehrer im Jahr 2014 ein hölzernes Gedenkkreuz aufgestellt hat. Ein Jahr später, genau heute vor 6 Jahren, fand auf Initiative von Stadtrat Andreas Weinmann hier die erste offizielle Gedenkveranstaltung statt.

Heute nun sind wir zusammengekommen, weil die Stadt ebenfalls auf Initiative von Andreas Weinmann und auf Antrag der SPD-Stadtratsfraktion einen Gedenkstein zu Ehren der hier Ermordeten einweiht.

Die Konzentrationslager sind nicht wie ein Schicksal über die Deutschen gekommen. Sie sind systematisch inmitten der damaligen Gesellschaft entwickelt, gebaut, und nach betriebswirtschaftlichen Kriterien betrieben worden. Die Konzentrationslager und auch das KZ Flossenbürg existierten nicht im Geheimen. Sie ließen sich nicht verstecken. Und die Deutschen wussten, dass es sie gibt. „Halts Maul, sonst kommst nach Dachau/Flossenbürg“ war eine weithin geläufige Warnung.

Die jetzigen Generationen sind nicht verantwortlich, für das, was vor 70, 80, 90 Jahren in Deutschland geschehen ist, für den Rückfall in die Barbarei inmitten Europas. Wir sind aber verantwortlich dafür, dass es sich nie wieder wiederholen kann. Deshalb müssen wir erinnern und Steine zum Sprechen bringen.
Das richtige Maß des Erinnerns zu finden, ist schwierig. Ein Zuviel kann ebenso problematisch sein wie erst recht ein Zuwenig. Thomas Mann hat rhetorisch gefragt „darf man nicht wissen wollen?“ und mit einem entschiedenen „nein“ geantwortet. Dieses „Nein“ gilt bis heute für alle Demokraten. Erinnerung ist Verpflichtung, Gedenken an das Leiden der Opfer genauso wie Übernahme der geschichtlichen Verantwortung. Gedenken und Verantwortung sind das moralische Fundament der Demokratie in Deutschland.

Der Rückfall in die Barbarei hat in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts schleichend begonnen, nicht über Nacht, sondern subtil, durch Sprache, Gesten, durch Ausgrenzung und Hass. Deshalb müssen wir wachsam sein, auch und gerade 2021, solange bei Hitlers immer noch ein Licht brennt.

v. l. n. R.
SPD Fraktionsvorsitzender Franz Schindler, Michael Fleichmann (hat die Geschichte aufgearbeitet) und SPD Stadtrat Andreas Weinmann

Gedenkstein Kuntau 2021-04-20

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